Wer einmal dort war, wird wissen, was ich in der kleinen Geschichte bejubele. Die wunderbare Vielfalt der kleinen Sensationen, die auf der Fürther Kirchweih jedes Jahr wieder auf das Zuverlässigste zusammenkommen.
Zauberzeit
Man muss kein Kind sein, um auf der Fürther Kirchweih jedes Jahr aufs Neue das eine oder andere Spektakel zu entdecken, das hart an Zauberei grenzt. Und ich meine damit nicht die Magie, die von sieben Halben und fünf Steaksemmeln bewirkt wird. Nein, wer genau hinschaut, kann ein Wunder am anderen erleben.
Das geht schon los mit dem Ochsen am Spieß. Ein ganzer Ochse! Komplett am Spieß! Ich weiß schon, dass das ganz normal auf einem Volksfest ist, zumindest auf einem gescheiten, das mit allem Drum und Dran daherkommt. Mir jedoch erscheint es jedes Jahr, wenn ich zum ersten Mal von der Freiheit her in die bunte Gasse der Buden einschwenke, als ein Wunder, dass man ein so großes Tier, wie eine ausgewachsene Kuh es ist, aufspießt und am Stück grillt. Und sogar einen Namen hat das Vieh, wie ein Mensch: Herbert, Ralf oder Max! Spätestens nach dem sechsten Seidla passiert es dann so manches Mal, dass das Gespräch ins Tiefsinnige abkippt. Und wir uns fragen, ob wir das nicht auch für uns selbst wünschen sollten, wenn’s mal soweit ist. Dass man aufgespießt und gegrillt wird. Was für ein schönes Ende das wäre!
In diesem Zustand ist es nicht im geringsten weniger mysteriös, wenn man vom Babylon her Richtung Unserer Lieben Frau spaziert, dass mitten auf der Königsstraße ein Leuchtturm steht. Von dem auch noch ein Backfisch hinter dem nächsten herunterrutscht, während aus einem alten Kassettenrekorder Ostfriesenwitze abgespielt werden, die so schlecht sind, dass sie schon wieder gut sind.
Genau an einer Stelle passiert das, wo man sonst eigentlich gar nie hinschaut, was links und rechts ist, weil man in einem dummen Auto sitzt und sich durch den Verkehr schlängeln muss. Aber während der Michaelis-Kirchweih ist dort Ruhe mit Autos, dann ist das eine ganz andere Straße, in der mittendrin ein Leuchtturm steht, wie in einer fernen, absolut magischen Stadt, wo es noch tausenderlei ungekannte Zauberdinge zum Bestaunen gibt.
Das Kamelrennen und der Elektrisiertautomat sind in übersinnlicher Hinsicht erstklassiges Kino, wo man jedes Jahr quasi verpflichtend mindestens drei Mal hingehen muss. Von den Zauberausschänken und den Zaubergrills unterwegs, wo es nie versiegende Mengen Zauberwein und Zauberwurst gibt, brauche ich erst gar nicht zu schwärmen – Fachleute und Kennerinnen wissen Bescheid. Den krönenden Abschluss jedoch, der dann exakt richtig kommt, wenn man den inneren Grundwasserspiegel wie nach einer unglaublich langen Dürre mit ausreichend Bier wieder auf Normalstand gebracht hat, den gibt’s am Ende der großen Runde zurück auf der Freiheit. Irgendein magischer Supertrumpf ist jedes Jahr dabei, der den Zacken aus der Krone des Höhepunkts schießt: Zum Beispiel das Psychedelik-Kabinett, mit den flirrenden bunten Spiegeln und dem rotierenden Tunnel zum Beispiel, wo wir uns jahrelang einen Drehwurm geholt haben, dass es einem kein Profi-Haschbürschler glauben würde. Oder die Mäuse-Welt. Das kann sich eigentlich kein Mensch ausdenken, so etwas, aber dann steht da das Schild und das Fensterchen mit der Kasse ist aufgeklappt und hinter der Tür kannst du zehntausend Mäusen in ihrem Aquarium zuschauen – wie sie absolut amtlich ÜBERHAUPT NICHTS machen.
Und dass einem dafür fast kein Eintrittsgeld zu hoch ist: Das ist dann der Mount Everest der Kirchweih-Zauberei.
Fürther Kärwa-Zeitung 2019
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