Endemik von unten

Inspirationsquelle war in diesem Fall die Herbrucker Maulbeere (https://de.wikipedia.org/wiki/Hersbrucker_Mehlbeere). Denn es gibt sie wirklich, die endemischen Gewächse.

Nr. 7

Wann genau die Genetik den Schraubenschlüssel angesetzt hatte, konnte man im Nachhinein natürlich nicht mehr sagen. Aber der Tag, an dem der Biologe die neue Art hinter der Dorfwirtschaft entdeckte, der wird seitdem alljährlich gefeiert, in Untertrunkenbach, gleich bei Großbierberg hinter dem Hopfenstangenwald am nördlichen Fuße des Stammwürzgebirges.

Der Biologe hatte sich dort zu Urlaubszwecken aufgehalten und ließ es sich angelegen sein, direkt hinter dem Gasthaus, idyllisch positioniert unterhalb einer pittoresken Felsskulptur, die von Mutter Natur höchstselbst in den Kalk gehauen worden war, eine Runde frische Luft zu schöpfen. Und sich derweil ins zarte Grün der Waldsaumvegetation zu erleichtern. Anders gesagt: Der sommerfrischelnde Professor pinkelte direkt auf jene Pflanze, die heute seinen Namen trägt: Quercus Siebengescheitii. Ein Baum, der sich ausschließlich von Bier ernährt. Und den die Einheimischen deswegen auf der Stelle ins Herz schlossen.

Spätere Untersuchungen zeigten, dass sich die Bierleitung direkt unter dem endemischen Gebüsch ein Leck eingefangen hatte. Ein Teil des köstlichen Getränks, das eigentlich auf direktem Wege von der Braustube zum Zapfhahn des Wirtshauses befördert werden sollte, versickerte viele Jahre in der Erde. Doch eben nicht vergeblich! Die Natur, die stets des einen Verlust in des anderen Gewinn zu wandeln versteht, fügte auch in diesem Fall alles zum Besten und beschenkte die Untertrunkenbacher mit der weltersten Kulturpflanze, die diesen Namen tatsächlich verdient: Der bierliebenden Wirtshauseiche.

aus: „Unser täglich Bier gib uns heute“, ein Almanach mit 366 Geschichten über’s Bier (von 31 Autor*innen), Tredition Selfpublishing Verlag, 2020.


Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert