Foto: (c) 2022 by Thomas Bergner

Theobald Fuchs

-jetzt-

Dr. Theobald Otto Johann Fuchs

Geboren 1969 in Franken, seitdem tätig als Wissenschaftler und Autor.
Lebt seit einer Weile in Nürnberg, schreibt seit 1997 Beiträge für TITANIC, t.a.z., Salbader, Fürther Nachrichten, CURT sowie in zahlreichen Anthologien.

2016 Kriminalroman »Niemand ruht ewig« im ars vivendi Verlag.
Zuletzt: »Der zweite Krautwickel« (2020) und »Blaue Bohnen der Liebe« (2023, Edition Blumen).
2014 Fränkischer Krimipreis,

2021 Jury-Sonderpreis der Wiener Ärztekammer,

2024 Kulturpreis der Stadt Nürnberg.

Mein allererster Text, der gedruckt wurde

Salbader Nr. 20, 7 / 1997 – „Basiswissen“

Zum ersten Mal im Frankfurter
Satire-Magazin TITANIC, in der Rubrik Vom Fachmann für den Kenner

Schutzhaftpflicht? Auch im Intranet meines neuen Arbeitgebers gibt es Mitarbeiter-Seiten, auf denen man eine formalisierte Selbstdarstellung ablassen kann. Der oder die Macher der Webseite erachteten es dabei als angebracht, ein Feld mit der Bezeichnung „Auto-KZ“ einzufügen. Ich stand ratlos davor – soll ich etwa mein Auto ins Konzentrationslager schicken? Vielleicht nach Treblinker, Mauthausen, Bergen-Gasgeben oder Warndrejek? Das steht aber nicht im Tarifvertrag!

TITANIC Heft 327 / 28. Jahrgang, Januar 2007

Mein erster Beitrag zum traditionellen Heft im Heft in der TITANIC. ‚korrekt‘ folgte 2017 auf ‚Partner Titanic‘ (das ‚Sondermann‘ folgte, das wiederum ‚Kolibri‘ – als Kenner kennen Sie das).

Die kurze Story der Epoche

Ich genierte mich schon immer, zum Arzt zu gehen. Weil meine Augenbrauen so lang sind. Manch ein Haar hängt mir störend über die Augen, einmal hat sich eines verirrt und ist bis ins Nasenloch hinein gewachsen. Ich spreche auf der Straße einen der Schüler an, die an mir vorbei für ein anderes Klima demonstrieren und sowieso nicht zur Schule gehen. Er soll für mich schnell beim Arzt vorbeischauen, etwas gegen lange Augenbrauen besorgen. Der Typ ist aber gar kein Schüler, sondern einer der Privatgelehrten, die von früh um 8 Uhr vorne am Eck vor der Kneipe lungern und Bier trinken. Er läuft bei den Kindern nur mit, um sich vor dem zweiten Frühschoppen Bewegung zu verschaffen. Aber für mich würde er zum Arzt gehen, sagt er. Leider hat er eine sehr verwaschene Aussprache. Er erklärt der Sprechstundenhilfe, er benötige etwas gegen aggressive Augenbrauen, aber sie gibt ihm eine 10-Kilo-Packung Abführmittel. Der Typ versucht zu erklären, dass es nicht das ist, was er braucht. Aber er nuschelt so fürchterlich, dass sie ihn nochmal falsch versteht. Sie gibt ihm große Mengen Drogen, in einer Plastiktüte, auf der Werbung für Papiertaschentücher abgedruckt ist. Wir gehen damit zu mir nach Hause. Ich biete dem Typen einen Tee und ein Zimmer an. Er wohnt jetzt bei mir und soweit funktioniert das ganz gut. Er steht ja sowieso jeden Tag früh auf, um zum Saufen zu gehen. Und außer, dass er neulich auf einen Harzer-Käse gestiegen ist, den ich in die Mitte der Küche auf den Fußboden gelegt hatte, zur Besserung des Raumklimas, hat er noch nix kaputt gemacht. Den platten Käse haben wir gegessen, die Drogen haben wir weggeworfen, in die pinkfarbene Tonne für intellektuelle Abfälle, und der Typ zupft mir seitdem jeden Mittwoch die Augenbrauen. Ich weiß leider nicht, wie er heißt, sonst würde ich es schon sagen.

TITANIC Juni 2019

Fürther Kärwa-Zeitung

2017 wurde ich eingeladen, anlässlich der Michaelis-Kärwa in Fürth einen kleinen Text beizutragen. Mache ich seitdem jedes Jahr mit unverminderter Freude (Dank an Frank Drechsler!)

Elektrisierautomat

Beinahe hättest du ihn übersehen, schnell ist es geschehen, dass du achtlos an ihm vorbei schlenderst, die Hände schwer beladen mit Bratwurstbrötchen oder Zuckerwatte. Aber wenn du acht gibt und aufpasst, kannst du dich auf ein Erweckungserlebnis freuen. Und zwar buchstäblich. Zwischen einer Losbude und vielleicht einem Fischbrötchenstand, bescheiden, schweigsam, majestätisch ruhend steht er da, das größte Kirchweihvergnügungsspektakel aller Zeiten und Völker: der Elektrisierautomat. Die Zuckerwatte drückst du besser jemandem anderen in die Hand – nicht dass sie zu einem Klumpen Karamell zusammen schmort –, und es hilft, wenn du zuvor vier oder fünf Hofmann oder Ammerndorfer getrunken hast, weil: dann spürst du den Schmerz nicht so sehr. Dann wirfst du eine Münze in die Maschine und langst mit beiden Händen an die Griffe. Weil das sagt dir die Bedienungsanleitung. Und sie fährt fort: „Elektr. Spannung steigt allmählich, solange Knopf gedrückt wird.“ Nein – mehr musst du nicht wissen. Du hältst die Griffe fest, so lange wie du den Schmerz ertragen kannst. Dein Blick klebt an dem Zeiger, der sich langsam rechtsherum dreht, von Schürzenjäger über Angeber und Torero zu Pilot zu Rennfahrer zu Holzfäller zu Draufgänger zu Athl … „Aaaah! Ich kann nicht mehr!!“ Applaus brandet auf, Hände klatschen, ein frischer Krug Bier wird gereicht – das war eine respektable Leistung! Denn nur die coolsten aller coolen Jungs lassen nicht eher los, als die Nadel über „Weltmeister“ zittert, eine brennende Kippe locker im Mundwinkel hängend, und grünlich glimmen die auf ihre sonnengegerbten Unterarme tätowierten Anker. Irgendwo im Hintergrund kichert ein alter Elektriker. Wer will noch mal? Wer hat noch nicht? Das gibt’s nur hier in Fürth, auf der Michaelis-Kirchweih …

(2017)

TITANIC April 2007

Der zweite „Fachmann“ folgte nicht lange auf den ersten.

Regelungsdefizit: Welche Regeln sind eigentlich für den Fall vorgesehen, dass eine verlorene Wimper, die eine Person von der Fingerspitze bläst, während sie sich im Stillen etwas wünscht, einer anderen Person, mit der die erste Person sich in diesem Augenblick das Kopfkissen teilt, genau ins Auge fliegt? Darf dann die andere Person diese Wimper aus dem getroffenen Auge fischen und wiederum selbst zur Wunscherfüllung verwenden, insbesondere, wenn sie nicht bemerkt, dass es keine Eigen- sondern eine Fremdwimper ist, und wird der zugehörigen Wunsch gegebenenfalls der blasenden Person oder dem tatsächlichen Wimpernspender zugerechnet? Muss nicht vielmehr dem Missbrauch von Wimpern ein Riegel vorgeschoben werden, der sich aus der im Prinzip unbegrenzten Wiederverwertung von einzelnen Wimpern durch gezieltes Pusten ergibt? Gesetzgeber – übernehmen Sie!

TITANIC Heft 330 / 28. Jahrgang, April 2007

Eines meiner Lieblingsprojekte ist Eisenbart und Meisendraht – das monatliche Literaturmagazin auf Radio Z.

Seit 2018 schreibe ich regelmäßig Beiträge und spreche oft auch selbst ein, was – zumindest mir – immer viel Freude bereitet. Daher schleicht mein Dank seit Jahren den beiden Macher*innen von Eisi & Meisi, Lukas Münich und Andii Weber, unermüdlich hinterher! Ewigkeitssymbol, Herz-Emotikon.

Noir (Mai 2019)

Noisette mochte ich ehrlich gesagt noch nie. Wozu man Schokolade mit Nüssen streckt leuchtet mir überhaupt nicht ein. Das muss so ein Nachkriegseffekt sein, als man Sägespäne ins Brot und Eicheln in den Kaffee mischte. Als ob es heute noch bei der Hofpfisterei ein Brot namens »Dreispan-Gesundheits-Holzbrot« gäbe. Oder beim ebl »Kaffichel – die Köstlichkeit aus dem Thüringer Wald nach Großmutters Original-Rezept«. Nutella geht ja schon gar nicht, wegen Anbaugebieten und Regenwaldabholzung. Dann maximal Nusspli, aber echt nur in höchster Not, wenn man kurz vorm Koma im Unter-Kakao steckt. Aber auch das nicht wirklich. Ausnahme: Nougat-Schokolade. Die mag ich manchmal sogar. Besser freilich in Form von Pralinés, da würde ich die nicht von der Tischkante schubsen. Aber Noisette – ne, das ist einfach nur doof. Das ist wie Bier ohne Alkohol, das ist Früchtetee und Ersatzkäse, das ist eklig. In echter Schokolade, in einer mit Brusthaaren, da sind keine Nüsse drin, da ist Kakao drin, so viel Kakao wie möglich, am besten 100% Kakao und sonst nix, und die Tafel ist schwarz wie die Nacht. Sonst würden die Cieneasten ja auch von »Film-Noisette« sprechen und nicht von … o, scheiße. Noir. Noir war das Thema gewesen und nicht Noisette. Mist. Verwechsel ich ständig: Noisette, Noir. Zu spät jetzt, oder …?

https://eisenbartmeisendraht.podigee.io

TITANIC Juni 2007

Ein weiterer Klassiker aus der Vom Fachmann-für-den-Kenner-Rubrik

Spartipp
Als Anhänger des klassischen Designs bin ich derzeit auf der Suche nach runden Steckdosen. Kein Baumarkt scheint heutzutage noch etwas dem annähernd Ähnliches im Sortiment zu führen. Mit einer Bestellung bei Manufactum ließe sich mein Problem zwar im Prinzip lösen, allerdings käme es mich deutlich billiger, ein altes Mehrfamilienhaus zu kaufen, die original Elektroinstallation operativ zu entfernen und den Rest des Gebäudes zum Wertstoffhof zu fahren.

TITANIC Heft 333 / 28. Jahrgang, Juni 2007

Salbader

Ein kurzer Text

Einer meiner Bekannten hat kürzlich in Physik promoviert. Als er seine letzte Doktorprüfung absolvierte, bestand seine größte Angst darin, dass er in Zukunft auf Flugreisen bei Notfällen zur
Hilfeleistung aufgefordert werden würde. Um diese peinliche Situation in jedem Fall zu vermeiden, stellt er seitdem ungefragt beim Einsteigen ins Flugzeug bei der Stewardess klar, dass er kein Mediziner sondern Naturwissenschaftler sei und nicht helfen könnte, auch wenn in seinem Pass ein Doktortitel eingetragen wäre. Vor kurzem jedoch hat ihn ein Kollege auf eine andere Gefahr hingewiesen. Nun muss er bei jedem Flug damit rechnen, dass sich die Tür zum Cockpit öffnet und einer der Piloten zwischen den Passagieren suchend ruft: „Ist ein Physiker an Bord? Wir haben ein Problem mit dem Auftrieb…“

Salbader Nr. 45 (2015)

TITANIC Mai 2008

Und noch ein Fachmann für den Kenner

Hochsensibel
Ein Luftzug wie von einer Aschenflocke eines verbrannten Briefes verursacht, die nach Mitternacht über einen Rasen schwebt; ein Raunen nicht stärker wie das Schaben zweier Blätter an einem Zweig, der sich in der aufgehenden Sonne erwärmt; ein Geruch wie von einem Schäferhund, der nach dem Fressen eine Stunde neben einem Zinkeimer geschlafen hat – ungefähr so empfanden es die Betroffenen, als am 1. Februar das neue Gesetz zur Gleichstellung von Hochsensiblen Personen (HSP) in Kraft trat.

TITANIC Heft 343 / 29. Jahrgang, Mai 2008

Die Kolumne „Hinten raus“
im Stadtmagazin CURT

Seit 2014 in Kooperation mit der Grafikerin und Fotografin Katharina Winter. Ich schreibe die Story, sie sorgt für die kongeniale Illustration, in der Regel und auf Wunsch des Chefredakteurs ein Foto von mir in diversen Situationen und Aufmachungen.

#CURT #Kolumne #HintenRaus

Ziegelstein am Start
https://www.curt.de/inhalt/artikel/15898/43/5

Angriff der Seifenfresser
https://www.curt.de/inhalt/artikel/15723/43

Zu Besuch bei der alten Dame
https://www.curt.de/inhalt/artikel/15567/43

Mit Auto nach Berlin – die letzten 202 Kilometer
https://www.curt.de/inhalt/artikel/15490/43

Mit Auto nach Berlin – die ersten 202 Kilometer
https://www.curt.de/inhalt/artikel/15392/43

Einkauf sakral
https://www.curt.de/inhalt/artikel/14959/43

CURT im Zukunftsmuseum #6: Die Evolution und die Prototypen
https://www.curt.de/inhalt/artikel/15038/43

CURT im Zukunftsmuseum #5: Schweben im Stau
https://www.curt.de/inhalt/artikel/14880/43

CURT im Zukunftsmuseum #4: Roboterseelen
hhttps://www.curt.de/inhalt/artikel/15968/43

CURT im Zukunftsmuseum #3: Das Gipfeltreffen der Gehirnakrobaten
https://www.curt.de/inhalt/artikel/14697/43

CURT im Zukunftsmuseum #2: Entspannt auf dem Mars herumrovern
hhttps://www.curt.de/inhalt/artikel/15966/43

CURT im Zukunftsmuseum #1: Begegnung am Fallrohr
https://www.curt.de/inhalt/artikel/15967/43

Wie ich einmal Weltkulinarerbe aß
https://www.curt.de/inhalt/artikel/14728/43

Die Füße vom Sitz!
https://www.curt.de/inhalt/artikel/14127/43

Blutsauger und andere Begegnungen
https://www.curt.de/inhalt/artikel/14014/43

Eisen zum Frühstück
https://www.curt.de/inhalt/artikel/13777/43

Softporno aus der Goldkehle – Roland Kaisers Konzert
https://www.curt.de/inhalt/artikel/12458/43

Ich: Vorne auf dem Titel vom CURT, Ausgabe August/September 2024.
Anlass: Ankündigung der Verleihung des Nürnberger Kulturpreises.
Rechts: Andreas Thamm, großartiger Autor, geschätzter CURT-Kollege, ebenfalls Kulturpreisträger.
Hintergrund: Westbad, früh um 9.
Fotografie: Helene Schütz.

Immer wieder Salbader

Nr. 37, 12 / 2006 – „Schwerkraftreform beschlossen“

Nr. 36, 1 / 2006 – „Industrielles Röntgen“

Nr. 32, 2 / 2003 – „Außerirdische“

Nr. 31, 7 / 2002 – „Vaterpflichten“

Nr. 30, 12 / 2001 – „Kalte Döner“

Nr. 29, 6 / 2001 – „Der Kinderarzt“

Nr. 28, 1 / 2001 – „Selbstgespräche“

„Während Katzen Katzenkotze kotzen, kotzen Katzenkotzer Katzen.“

Theobald Fuchs in: TITANIC, Vom Fachmann für den Kenner (Januar 2024)

#TITANIC #VomFachmann #FürDenKenner #2024